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Das Gute aus beiden Welten

Eva SchernhammerDie gebürtige Wienerin Eva Schernhammer forscht an der Medizinischen Universität Wien und in Harvard zum Schlaf- Wach-Rhythmus (circadianer Rhythmus). Bahnbrechend war ihre Studie aus dem Jahr 2001: Sie konnte nachweisen, dass Nachtdienste die Häufigkeit von Brutkrebs beeinflussen. Im Gespräch mit Mariella Schurz von der B&C spricht sie über ihre Forschung und vergleicht die Wissenschaftskultur in Österreich und den USA. Sie bekleiden einen Lehrstuhl an der Elite-Uni- versität Harvard und parallel einen an der Med Uni Wien.

Gibt es auch etwas, was man in den USA von Österreich lernen kann?

Eva Schernhammer: Österreich ist überschaubar, das erleichtert die Vernetzung schon sehr. Man trifft sich immer wieder bei Veranstaltungen, es entstehen rasch Kontakte zu Top-Institutionen und in die höchsten Ebenen. Small ist eben doch wirklich beautiful.

Wie sehen Sie die finanziellen Rahmenbedingungen im Vergleich?

Die Universitäten in Österreich stehen nicht unter einem solchen Druck, Drittmittel zu akquirieren, das fördert die Kreativität. Zumindest für mich gilt: Je mehr Freiraum ich habe, desto mehr schaffe ich. Gemessen an der Größe des Landes gibt es in Österreich viele Förderungen, aber das System ist durch seine Zentralisierung fragil. Werden beispielsweise die Mittel des FWF gekürzt, kann dies das sofortige Aus für Projekte bedeuten. In den USA sind derartige Effekte gedämpft, es gibt eine breitere Förderlandschaft. Neben nationalen Förderungen stehen in Österreich auch EU-Mittel zur Verfügung.

Schafft das nicht Abhilfe?

Ja, aber es ist nicht einfach, auf EU-Ebene ein Funding zu erhalten. Die Förderrate ist sehr niedrig und die Anträge erfordern sehr viel administrativen Aufwand, da tritt die Wissenschaft fast in den Hintergrund. Meist ist es wesentlich, dass mehrere Länder an einem Antrag beteiligt sind, das Prozedere ist aufwendig.

Was können wir in Österreich vom Wissenschaftsbetrieb in den USA lernen?

Die USA sind uns bei der Einstellung gegenüber den Mitarbeitern um Jahrzehnte voraus. Flache Hierarchien und die Motivation der Mitarbeiter sind zentral. Es hat sich auch in Österreich schon einiges bewegt, aber in den USA ist die Einstellung ungleich positiver. Das ist befeuernd und wichtig – der Arbeitsalltag soll auch Spaß machen. Der kollaborative Spirit ist in den USA ein anderer. Es ist praktisch ein Muss, junge Menschen bei ihrer Karriere zu begleiten. Dieses positive Umfeld ermöglicht einen hohen Wissensaus- tausch. In Österreich haben wir hingegen eine Angstkultur, was wirklich sehr bedauerlich ist.

Beeinflussen diese Erfahrungen aus den USA Ihren persönlichen Führungsstil hier in Wien?

Ja, ganz sicher sogar. Ich gestalte mein Umfeld so, als ob ich in den USA wäre. Mehr als die Hälfte meines Teams kommt nicht aus Österreich, denn die Herkunft ist für mich im Vergleich zur Qualifikation zweitrangig und unsere Hauptsprache ist Englisch. Für mich ist es auch wichtig, im Team etwas Positives zu feiern. So wird es ja auch beim Houskapreis gemacht. Wir sollten uns in Österreich insgesamt mehr über Erfolge freuen. Es ist ungemein wichtig, erfolgreiche Leute vor den Vorhang zu holen. Sie sind sowohl in Wien als auch in Harvard aktiv und besitzen die Staatsbürgerschaften beider Länder.

Ist es schwierig, auf zwei Kontinenten zu Hause zu sein bzw. in zwei Welten zu leben?

Die Arbeit hat sich für mich dadurch schon verdoppelt, andererseits gilt für mich: Ich brauche beide Welten, sie befruchten sich. Ich kann mir das eine nicht mehr ohne das andere denken. Bislang sind Doppelaffiliationen un- gewöhnlich, aber die Medizinische Universität Wien sprach sich offen dafür aus. Durch eine solche Chance wird ein besonderer Austausch ermöglicht, es scheint, dass sie nun populärer werden.

Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung schon lange mit dem circadianen Rhythmus, verein- facht ausgedrückt also mit unserer „inneren Uhr“. Was hat Ihr Interesse daran geweckt?

Es spielte hier auch der Zufall etwas mit. Während meiner Zeit in Boston musste ich spontan das Thema eines fiktiven Projekt- antrags entwickeln – hier entstand die Idee einer Studie, wie Nachtdienste – und damit Störungen unseres Schlaf-Wach-Rhythmus – das Brustkrebsrisiko und das Risiko, koronare Herzkrankheiten zu erleiden, beeinflussen können. 2001 habe ich diese Ergebnisse in der angesprochenen „Nurse-Health-Studie“ veröffentlicht.

Die Gesellschaft wird aber auch weiterhin Nachtdienste benötigen, gerade im gesundheitlichen Bereich. Was könnte getan werden, um die Risiken hier zu begrenzen?

Zunächst ist es wesentlich, Dinge in Ordnung zu bringen, die leicht zu beeinflus- sen sind, wie das Rauchen oder das Körper- gewicht. Wer in der Nacht arbeitet und sich Gedanken über seine Gesundheit macht, sollte die empfohlenen Screenings wie Mammogra- phie und Koloskopie sowie andere primär- präventive Maßnahmen in Absprache mit dem Arzt konsequent absolvieren. Sport ist dabei sehr wichtig – schon 30 Minuten schnelles Gehen am Tag ist gut. Im Zusammenhang mit Public Health ist unser Ansatz: nicht zu hoch ansetzen – moderate Bewegung ist für alle möglich!

In Ihrer jüngsten Studie zeigen Sie auf, dass Schlafstörungen drastisch ansteigen. Was können wir daraus ableiten?

Es ist eine paradigmatische Studie, die zeigt: Sowohl zu viel als auch zu wenig Schlaf sind nicht sinnvoll. Der individuelle Schlaf- bedarf ist allerdings sehr unterschiedlich, er ist auch genetisch bedingt. Wir können daher keine absoluten Werte für die optimale Stun- denanzahl vorgeben. Faktum ist, dass sich die Einschlaf- und Durchschlafstörungen in den letzten zehn Jahren vervielfacht haben. Diese Erkenntnis ist neu. Nun gilt es zu verstehen, warum das so ist, davor gab es keinen signifikanten Anstieg an Schlafstörungen. Die Vermutung liegt nahe, dass das auch mit der technologischen Entwicklung (Stichwort: Smartphones) in Zusammenhang steht. Das Licht der Bildschirme dieser Geräte hat zweifelsohne einen Einfluss auf unser Schlafverhalten. Im Übrigen gelten auch die altbewährten Empfehlungen, regelmäßig maßvolle Bewegung zu betreiben und auf schweres Essen vor dem Schlafengehen zu verzichten.

Eva S. Schernhammer ist Leiterin der Abteilung für Epidemiologie an der Medizinischen Universität Wien. Sie war zuvor Associate Professor of Epidemiology an der Harvard School of Public Health und leitet dort weiterhin Forschungsprojekte. Eva S. Schernhammer ist außerdem im Fachbeirat „Universitäre Forschung“ des Houskapreises vertreten.