Aufsichtsräte in Österreich: hoher Einsatz, aber bescheidene Gagen
Corporate Governance Monitor 2019 zeigt deutliche Unterschiede bei der Aufsichtsratsvergütung zwischen Österreich und Deutschland
Ein Vergleich von 243 kapitalmarktorientierten Unternehmen in Österreich und Deutschland ergab, dass die Aufsichtsratsvergütung in Deutschland etwa um ein Drei- bis Vierzehnfaches höher ist als in Österreich. Gleichzeitig führen gestiegene Anforderungen zu einem erhöhten Aufwand für die Aufsichtsräte: Sie tagen durchschnittlich mehr – bis zu sechs Mal pro Jahr – als die gesetzliche Mindestvorgabe von vier Mal pro Jahr. Die Abarbeitung der umfangreichen Aufgabenstellungen wird zunehmend in Aufsichtsratsausschüsse ausgelagert. Das zeigt eine Studie der Johannes Kepler Universität Linz, die im Rahmen des Corporate Governance Monitor 2019 die Ausgaben für Corporate Governance und die Arbeit im Aufsichtsrat analysiert hat.
Immer komplexere gesetzliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, technologischer Fortschritt, internationale Konflikte – die Aufsichtsräte heimischer Unternehmen sehen sich mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert – so auch die B&C-Gruppe, die Mehrheitsbeteiligungen an den österreichischen Industrieunternehmen AMAG Austria Metall AG, Lenzing AG und Semperit AG Holding hält. Der Corporate Goverance Monitor 2019, ein Forschungsprojekt der Johannes Kepler Universität in Kooperation mit dem Board Service Center unterstützt von der B&C Privatstiftung, bietet einen quantitativen Einblick in die Führungssysteme deutscher und österreichischer Unternehmen. Ein Teil der Studie befasst sich auch mit den Ausgaben für Corporate Governance und der Arbeit im Aufsichtsrat.
Der gesetzliche Auftrag und die Verantwortung von Aufsichtsräten haben sich in den letzten zehn Jahren entscheidend gewandelt. Neben der Kontrollfunktion sind Aufsichtsräte auch in strategische Entscheidungsprozesse von Unternehmen eingebunden. Gleichzeitig haben auch die Haftungsrisiken zugenommen. Infolgedessen sind auch die Anforderungen an die fachliche Qualifikation und der Zeitaufwand für Aufsichtsräte gestiegen.
Ewald Aschauer, Studienleiter und Professor für Systemstabilität, Wirtschaftsprüfung & Unternehmensüberwachung am Institut für Unternehmensrechnung und Wirtschaftsprüfung der Johannes Kepler Universität Linz: „Die Verwirklichung einer verantwortlichen, auf Wertschöpfung ausgerichteten Leitung und Kontrolle von Unternehmen ist eine der bedeutendsten betriebswirtschaftlichen Aufgabenstellungen. Unsere Erhebung der Kennzahlen zeigt klar, dass trotz der gestiegenen Intensität der Aufsichtsratstätigkeit der Aufwandersatz im internationalen Vergleich nach wie vor unterdurchschnittlich ist.“
Dazu Wolfgang Hofer, Vorstandsmitglied der B&C Privatstiftung: „Wir setzen uns sehr für die Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit in Österreich ein, weil ein Aufsichtsrat mit einem insgesamt breiten Qualifikationsspektrum die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen steigert. Dafür ist mittlerweile eine höhere Vergütung im Wettbewerb um die besten Köpfe unerlässlich. Denn für ein Unternehmen kann eine unattraktive Vergütung auch zu einem Risiko werden, wenn es den Aufsichtsrat nicht mit entsprechend kompetenten Fachleuten besetzen kann.“
Aufsichtsratsvergütung in Deutschland um ein Vielfaches höher als in Österreich
Aus dem Corporate Governance Monitor 2019 geht hervor, dass in Österreich die durchschnittliche Vergütung für eine Person im Aufsichtsrat zwischen 14.000 und 23.000 Euro im Jahr beträgt – im Vergleich dazu liegt der Wert in Deutschland um ein Vielfaches höher: zwischen 68.000 und 171.000 Euro. Erhebliche Unterschiede bestehen auch in der Vergütung des Aufsichtsrats im Verhältnis zu jener des Vorstands: Ein Vorstand verdient in Österreich im Durchschnitt das 24- bis 26-fache im Vergleich zur durchschnittlichen Aufsichtsratsvergütung, in Deutschland liegt dieser Wert beim 18-Fachen.
Für Studienleiter Ewald Aschauer ist eine Erhöhung der Aufsichtsratsentgelte in Österreich unumgänglich: „Nach unserer Ansicht sollte sich die Gesamtvergütung für den Aufsichtsrat an der durchschnittlichen Vergütung eines Vorstandsmitglieds orientieren. Am österreichischen Aktienmarkt wird aktuell nur 31,4 Prozent einer durchschnittlichen Vorstandsmitgliedsvergütung für den gesamen Aufsichtsrat ausgegeben.“
Aufsichtsräte tagen mehr als das gesetzliche Mindestmaß vorsieht
Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass der Aufsichtsrat mindestens vier Mal im Geschäftsjahr eine Sitzung abhalten muss – diese haben vierteljährlich stattzufinden. Die Praxis zeigt, dass Aufsichtsräte in Österreich durchschnittlich mehr tagen, als es das gesetzliche Mindestmaß vorsieht: Der Durchschnitt liegt sowohl in Österreich als auch in Deutschland bei fünf Sitzungen pro Jahr, bei höherer Marktkapitalisierung steigt der Wert auf sechs Sitzungen pro Geschäftsjahr.
Zusätzlich zeigt sich, dass etwa 79 Prozent aller analysierten Unternehmen in Ergänzung zum Prüfungsausschuss mindestens einen zusätzlichen Ausschuss eingerichtet haben. Insbesondere in den größten Unternehmen wird die umfangreiche Arbeit des Aufsichtsrats in Ausschüssen vorbereitet und erledigt. In Deutschlands größten börsennotierten Unternehmen (DAX30) finden im Durchschnitt etwa 16 Ausschusssitzungen pro Geschäftsjahr statt, in Österreichs Unternehmen mit der größten Marktkapitalisierung sogar 21 Sitzungen.
„Nicht nur das Arbeitsvolumen nimmt zu, sondern auch die Themen, mit denen der Aufsichtsrat heute befasst ist, haben mittlerweile einen sehr hohen Spezialisierungsgrad erreicht. Wir besetzen die Aufsichtsräte in unseren Kernbeteiligungen nicht nur mit eigenen, sondern auch mit externen Fachleuten, um den Unternehmen die Hilfestellung zu geben, die sie für ihre Entwicklung benötigen“, so Wolfgang Hofer.
Corporate Goveranance Monitor 2019
Wesentliche Grundlage für die Datenerhebung sind Geschäftsberichte aus dem Abschlussjahr 2017/18. Insgesamt wurden 243 österreichische kapitalmarktorientierte Unternehmen und Unternehmen, die am deutschen DAX30 sowie am SDAX und MDAX (zusammengefasst in der Kategorie Non-Dax30) notieren, einbezogen. Der Corporate Governance Monitor soll zukünftig jährlich erscheinen und einen Orientierungsrahmen für die theoretische und praktische Diskussion zur Ausgestaltung der Corporate Governance Struktur schaffen.
Download der Corporate Governance Studie 2019
Über die B&C-Gruppe
Die B&C Privatstiftung (www.bcprivatstiftung.at) ist eine unabhängige Stiftung, die seit ihrer Gründung im Dezember 2000 das Ziel der Förderung des österreichischen Unternehmertums und des Wirtschaftsstandortes Österreich verfolgt. Über ihre Holdinggesellschaften (www.bcholding.at) nimmt die B&C die Aufgaben eines stabilen Kernaktionärs in österreichischen Industrieunternehmen wahr. Sie übt ihre Aktionärsrechte im Interesse des jeweiligen Unternehmens aus und gibt den Unternehmen damit langfristige Planungssicherheit und eine stabile Eigentümerstruktur. Die B&C-Gruppe hält derzeit 50 % plus 2 Aktien an der Lenzing AG, 54,2 % an der Semperit AG Holding und 52,7 % an der AMAG Austria Metall AG. Im Jahr 2018 erzielten diese börsennotierten Unternehmen einen konsolidierten Umsatz von 4,2 Mrd. Euro und beschäftigten gemeinsam rund 15.000 Mitarbeiter. Weiters hält die B&C eine Minderheitsbeteiligung an der VAMED AG in Höhe von 10 %. Mit der B&C Innovation Investments engagiert sich die B&C-Gruppe seit 2016 mit Investitionen in Technologie- Wachstumsunternehmen und hält in diesem Segment aktuell Beteiligungen an den Unternehmen Flightkeys (rd. 18 %), Kinexon (rd. 5 %), Citrine (rd. 5 %), Frequentis (rd. 10 %), TTTech (rd. 11 %) und klarx sowie an einem österreichischen Start-up-Fonds. Im Juni 2019 gründete die B&C Privatstiftung gemeinsam mit der Berndorf Privatstiftung die MEGA Bildungsstiftung (www.megabildung.at) mit einer Dotierung von über fünf Millionen Euro. Die Stiftung setzt sich für Chancenfairness in der Bildung und für den Ausbau der allgemeinen Wirtschaftskompetenz der Österreicherinnen und Österreicher von Kindheit an ein.
04.11.2019