Warum die Forschung frei bleiben muss
Gerade in der mittelständischen Wirtschaft ist es sinnvoll, nicht jedem von der Politik vorgegebenen Forschungstrend nachzulaufen.
Warum Freiheit und Sicherheit auch in der Forschung ungemein wichtig sind, gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Österreich, liegt auf der Hand: Freiheit in der Forschung bedeutet, die Themen, an denen geforscht wird, selbst definieren zu können. Im Bereich der Forschungs-, Technologie und Innovationspolitik gibt es dafür das Instrument der „bottom-up“-Förderung. Diese Art der Forschungsförderung macht keinerlei Vorgaben hinsichtlich der Themenwahl und Ausrichtung der Forschung.
Im Gegensatz dazu werden bei „top-down“-Förderungsformaten seitens der Politik Themen „von oben“ vorgegeben. Gerade letztere erhalten derzeit in Form von thematischen bzw. missionsorientierten Programmen in Österreich – Big Data, Künstliche Intelligenz, Robotics, Cybersecurity, 3D-Printing, Low Carbon, Smart Cities usw. – aber auch auf europäischer Ebene zunehmende Bedeutung. Nicht zuletzt, weil damit Schwerpunkte gesetzt und Sichtbarkeit geschaffen werden können. Warum aber muss die Forschung – gerade auch für die mittelständische Wirtschaft – frei bleiben?
Wer nicht in ein thematisches Korsett gezwängt ist, kann neue Entwicklungen und hochaktuelle Technologietrends zeitgerecht aufgreifen und damit wettbewerbsfähig bleiben. Dadurch können sich die Unternehmen entlang ihrer eigenen Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte weiterentwickeln und sich gegebenenfalls auf neue Themenbereiche konzentrieren. Dafür gibt es jede Menge Belege. Neben den Highflyern von Runtastic, die eine themenfreie Förderung bezogen haben, gibt es eine Reihe von weiteren kleineren Firmen, die sich auf ihrem Weg nach oben nicht an Förderungsetiketten, sondern an ihrer inneren Innovationskraft orientierten, z.B. die Vorarlberger Firma SAEM Scooter, Gewinner des vorjährigen ACR-Startup-Preises.
Dazu kommt, dass themenfreie Förderung die Eintrittsbarrieren senkt, gerade für KMU mit wenig Vorerfahrung in der F&E-Tätigkeit. So ebnet sie den Weg hin zu kontinuierlicher Forschungs- und Innovationstätigkeit. Denn im Vergleich zur top-down Förderung hat sie üblicherweise deutlich niedrigere Anforderungen, der Zugang wird niederschwelliger. Das äußert sich in einfacheren Antragsverfahren, keinem Zwang zur Partnersuche, einfacheren Konsortialverträgen etc.
Ein weiterer Faktor, der für „bottom-up“ spricht, ist größere Flexibilität. Unternehmen können bei diesen Programmen entsprechend ihrer Bedürfnisse laufend Forschungsanträge stellen und sind nicht an zeitlich limitierte Calls wie bei der top-down Förderung gebunden sind. Für KMU kann das entscheidend sein: Sie haben meist einen kürzeren Planungshorizont als große Unternehmen, daher ist es für sie entscheidend, aktuelle Technologietrends frühzeitig aufgreifen zu können, um ihre Forschungsvorhaben durchzuführen bzw. Wettbewerbsvorteile zu erzielen.
Zuletzt ist die Minimierung der Bürokratie ein wichtiges Argument, der Forschung ihre Freiheit zu lassen. KMU verfügen im Unterschied zu Großkonzernen in der Regel über keine Forschungsabteilungen mit entsprechender Antragsexpertise, sie leiden häufig überproportional unter hohen administrativen Belastungen. Daher kommt ihnen die themenfreie Förderung mit ihrer weniger komplexen Abwicklung und den vergleichsweise schlanken Administrationsstrukturen sehr entgegen.
Geht diese Freiheit wie in so vielen anderen Bereichen des Lebens zu Lasten der Sicherheit? Nicht notwendigerweise! Sicherheit bedeutet im Bereich der anwendungsorientierten kooperativen Forschung, dass trotz des derzeit starken Fokus auf Exzellenzförderung und Grundlagenforschung weiterhin ausreichend Mittel zur Verfügung stehen. Denn es ist gerade die praxisnahe Forschung, der es in enger Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gelingt, die PS wirklich auf die Straße zu bringen, sprich den im Vergleich zum F&E-Input zu geringen Innovationsoutput zu erhöhen. Österreich hat sich ja zum Ziel gesetzt, den Sprung vom „Strong Innovator“ zum viel zitierten „Innovation Leader“ in Europa zu schaffen. Nur mit einer breiten, themenfreien Forschungsförderung und einem sicheren Bekenntnis zur standortrelevanten anwendungsorientierten Forschung kann das gelingen. Denn dann können auch die kleinen und mittleren Unternehmen weiterhin Projektideen entwickeln, Forschungsmittel beantragen und Innovationen auf den Markt bringen, die nicht nur ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch den Wirtschaftsstandort Österreich stärken.
Dieser Artikel ist bereits in der Ausgabe des trend 33-34/2019 zum Schwerpunktthema des Europäischen Forum Alpbach 2019 „Freiheit und Sicherheit” erschienen und nach Rücksprache nun auch hier veröffentlicht worden.
22.08.2019