7. Wiener Unternehmensrechtstag zu M&A: Damit ein Deal nicht zum Flop wird
Rund 150 Wirtschaftsrechtsexperten diskutierten am Juridicum der Universität Wien über rechtliche Regelungen und Praxis bei Umgründungen.
Bereits zum siebenten Mal fand der Wiener Unternehmensrechtstag am 1. Oktober 2018 statt. Im Fokus stand das Thema „Mergers & Acquisitions“ – die Übertragung von Unternehmen. Rund 150 Experten aus Recht und Wirtschaft analysierten unter der fachlichen Leitung von Univ.-Prof. Dr. Ulrich Torggler (Universität Wien) und Univ.-Prof. Dr. Susanne Kalss (Wirtschaftsuniversität Wien) aktuelle rechtliche Themen und ihre Umsetzung in der Praxis. Die Tagung geht auf eine Initiative der B&C Privatstiftung zurück und fördert den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis zu aktuellen Fragen des Gesellschafts- und Unternehmensrechts.
Wien, 09.10.2018 – Mergers & Acquisitions (M&A) ist der Überbegriff für Transaktionen, bei denen Unternehmen übertragen werden. Laut EY M&A-Index Österreich wurden im Jahr 2017 insgesamt 345 Deals mit einem Transaktionsvolumen von insgesamt 14,7 Milliarden Euro getätigt. Die Gründe für einen Zusammenschluss oder Kauf können sehr unterschiedlich sein, ebenso die Rechtslage in unterschiedlichen Ländern. Mit diesem Thema befassten sich Wirtschaftsrechtsexperten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz am diesjährigen Wiener Unternehmensrechtstag der Universität Wien und WU Wien, initiiert von der B&C Privatstiftung.
„Die Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandorts Österreich und die Rechtssicherheit ist der B&C Privatstiftung ein sehr großes Anliegen, daher unterstützen wir den Unternehmensrechtstag seit seiner Einführung. Ich gratuliere den beiden Verantwortlichen, Prof. Ulrich Torggler und Prof. Susanne Kalss, herzlich zu dieser hervorragenden Veranstaltung. Auch in diesem Jahr ist es wieder gelungen, ausgewiesene Experten aus dem In- und Ausland als Vortragende zu gewinnen“, bedankt sich Dr. Stefan Fida, Vorstandsmitglied der B&C Privatstiftung.
Gläubigerschutz bei Verschmelzungen: Deutschland liberaler als Österreich und Schweiz
„Nach der österreichischen Rechtsprechung darf eine Verschmelzung keinen kapitalentsperrenden Effekt haben, wobei es auf einen Vergleich von Nennkapital und gebundenen Reserven der übertragenden Gesellschaft einerseits und der aufnehmenden Gesellschaft nach der Transaktion anderseits ankommt“, erläuterte Dr. Mario Gall, Rechtsanwalt und Partner bei Pelzmann Gall, EY Law. Derartige Schranken bestehen nach deutschem und schweizerischem Recht nicht.
Alle drei Rechtsordnungen kennen hingegen Zulässigkeitsschranken und Schutzmechanismen für Gläubiger, wenn eine beteiligte Gesellschaft überschuldet ist. „Verschmelzungen eines überschuldeten Rechtsträgers auf seine Tochtergesellschaft sind in Österreich grundsätzlich unzulässig. Weniger eindeutig ist die Rechtslage bei umgekehrter Verschmelzungsrichtung, also ,up stream‘, sowie bei Überschuldung der Tochtergesellschaft. Jedenfalls darf die Verschmelzung nicht zur Insolvenzreife der aufnehmenden Gesellschaft führen“, so Dr. Gall.
In Deutschland sieht man die Problematik laut Prof. Dr. Roger Kiem, LL.M. (London), Partner der global tätigen Rechtsanwaltskanzlei White & Case in Frankfurt, etwas „entspannter“: „Die Rechtslage ist im praktisch dominierenden Fall der Beteiligung von Gesellschaften mbH liberaler als in Österreich. Dadurch tritt allerdings der Schutz der Minderheitsgesellschafter in den Vordergrund und bildet den Gegenstand literarischer Kontroversen.“
„Die Schweiz ist in Bezug auf den Gläubigerschutz zum Teil sogar strenger als Österreich“, so Prof. Dr. iur. Lukas Glanzmann, LL.M., Partner der weltweit tätigen Rechtsanwaltskanzlei Baker McKenzie Zürich. „Nach einer missglückten Regelung des Fusionsgesetzes muss grundsätzlich sogar bereits die Unterbilanz einer beteiligten Gesellschaft durch freies Eigenkapital einer anderen Gesellschaft ausgeglichen werden. Unerheblich ist dabei die Verschmelzungsrichtung.“
Bedingungen in Übernahmeangeboten nehmen zu
In den letzten Jahren ist im Übernahmerecht ein klarer Trend erkennbar, nämlich in öffentliche Übernahmeangebote Bedingungen aufzunehmen. Dr. Philipp Fidler vom Institut für Unternehmensrecht an der WU Wien: „In Österreich enthält etwa jedes zweite Übernahmeangebot zumindest eine Bedingung.“ Einen besonderen Stellenwert nehmen die MAC-Klauseln (Material Adverse Change) ein, die bei nachteiliger Änderung des Zielunternehmens den Rücktritt ermöglichen. „Unzulässig sind jedenfalls Bedingungen, deren Eintritt der Bieter beeinflussen kann,“ so Fidler.
Investorenvereinbarungen kaum eindeutig einem Vertragstyp zuordenbar
Die Investorenvereinbarung ist ein in der Praxis relativ neues Phänomen, das nicht nur bei großen Kapitalmarkt-Transaktionen und M&A auftritt, sondern auch bei außerbörslichen Investitonen wie zum Beispiel im Start-up-Bereich. „Investorenvereinbarungen lassen sich kaum eindeutig einem Vertragstyp zuweisen, sondern kombinieren unterschiedliche Elemente“, erläuterte Mag. Heinrich Foglar-Deinhardstein, LL.M. (KCL), Rechtsanwalt und Partner bei Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati. „Zulässigkeitsschranken ergeben sich z. B. aus dem Verbot der Einlagenrückgewähr.“
vOrganpflichten bei M&A: Schadenersatzansprüche nehmen zu
Besonders gefordert sind bei M&A die Organe der beteiligten Gesellschaften. Ihre Pflichten betreffen sowohl die Vorbereitung als auch die Durchführung und nachfolgende Integration der Unternehmen, erklärte Dr. Stephan Frotz, Rechtsanwalt und Partner von Frotz Riedl. „Die Organpflichten sind vor dem Hintergrund der Schadenersatzansprüche, die zunehmend gegen Organmitglieder geltend gemacht werden, von wachsender rechtlicher Bedeutung. Gemeinsam ist allen Phasen des Transaktionsprozesses, dass die Wahrnehmung der organschaftlichen Aufgaben transparent und dokumentiert stattfinden sollte.“
Datenschutz und M&A: Sensibilität der Betroffenen nimmt zu
Die Einführung der DSGVO am 25. Mai 2018 führte zu einem kompletten Regimewechsel: weg vom Melde- und Behördenverfahren hin zur Eigenverantwortung der Unternehmen mit hohen Geldstrafen. Zwar sind Daten juristischer Personen nicht mehr erfasst, oft beziehen sie sich aber auf natürliche Personen, etwa Mitarbeiter des Unternehmens. „Kritisch wird es etwa, wenn der Käufer bei einer Due Diligence Informationen über Gehälter oder Krankenstände einfordert“, erklärte Dr. Axel Anderl, LL.M., Rechtsanwalt und Managing Partner bei Dorda. Da die Einholung der Einwilligung der Betroffenen zur Datenverarbeitung kaum praktikabel ist, komme es auf ein „berechtigtes Interesse“ des Käufers an. Hier gibt es mit der DSGVO sogar eine Erleichterung durch eine Ausnahmebestimmung. „Generell ist eine gesteigerte Sensibilität der Betroffenen festzustellen. Das zeigt auch die Anzeigenflut, der die trotz Wegfalls der bisherigen Meldeverfahren überlastete Datenschutzbehörde nachgehen muss.“
Bankgeheimnis und M&A: Kundendaten nur anonymisiert berichten
„Das Bankgeheimnis spielt bei M&A-Transaktionen im Bankenbereich eine wichtige Rolle, weil Kundendaten betroffen sein können“, führte Dr. Peter Feyl von Schönherr Rechtsanwälte aus. Adressaten des Bankgeheimnisses sind nicht nur Kreditinstitute, sondern auch deren Gesellschafter, Organmitglieder, Beschäftigte und Beauftragte. „Die Einholung der Einwilligung der Kunden ist in der Praxis illusorisch. In der Due Diligence von Banken dürfen Kundendaten nur auf einer ‚need to know‘-Grundlage offengelegt werden – und dies ausschließlich an nach Berufsrecht zur Verschwiegenheit verpflichtete Berater, die den Interessenten oder Bietern nur anonymisiert berichten dürfen.“
Erfolgreiches Forum für Wirtschaftsrechtsexperten – Tagungsband „Treuepflichten“ ab sofort erhältlich
Der siebente Wiener Unternehmensrechtstag überzeugte mit seinem Vortragsangebot und spannenden Diskussionen der anwesenden Experten aus Recht und Wirtschaft. Gesehen wurden unter anderen RA Dr. Nora Aburumieh (Urbanek Lind Schmied Reisch) Prof. Eveline Artmann (Uni Linz), Prof. Martin Auer (Uni Salzburg), RA Mag. Christoph Brogyanyi (Dorda), Prof. Dr. Markus Dellinger (ö. Raiffeisenverband), Prof. Peter Doralt (WU Wien), RA Dr. Maria Doralt (dla), RA Dr. Bernd Grama (Grama Schwaighofer Vondrak), RA Dr. Sascha Hödl (Schönherr), HR Dr. Georg Nowotny (OGH), RA Doz. Martin Oppitz (a2o legal), Prof. Florian Schuhmacher (Uni Wien), RA Dr. Kathrin Weber (Torggler RAe), RA Prof. Dr. Jörg Zehetner (KWR).
Zum Unternehmensrechtstag ist eine Buchreihe mit Beiträgen von Vortragenden zu den jeweiligen Themen der vergangenen Jahre erschienen – herausgegeben von Univ.-Prof. Dr. Susanne Kalss, WU Wien, und Univ.-Prof. Mag. Dr. Ulrich Torggler, LL.M. (Cornell), Universität Wien. Der neue Band 6 „Treuepflichten“ vom 6. Unternehmensrechtstag ist ab sofort beim Manz Verlag Wien erhältlich.
Bildmaterial zum diesjährigen Unternehmensrechtstag
Download: https://www.flickr.com/photos/132687543@N06/albums/72157671923707337
Fotohinweis: Christina Anzenberger-Fink
Über die B&C-Gruppe
Seit ihrer Gründung im Dezember 2000 verfolgt die B&C Privatstiftung (www.bcprivatstiftung.at) das Ziel der Förderung des österreichischen Unternehmertums und des Wirtschaftsstandortes Österreich. Über ihre Holdinggesellschaften (www.bcholding.at) nimmt die B&C die Aufgaben eines stabilen Kernaktionärs in österreichischen Industrieunternehmen wahr. Sie übt ihre Aktionärsrechte im Interesse des jeweiligen Unternehmens aus und gibt den Unternehmen damit langfristige Planungssicherheit und eine stabile Eigentümerstruktur. Die B&C leistet so einen wesentlichen Beitrag zum unternehmerischen Erfolg ihrer Kernbeteiligungen. Die B&C-Gruppe hält derzeit Mehrheitsbeteiligungen an der Lenzing AG, der Semperit AG sowie der AMAG Austria Metall AG.
09.10.2018